CAFÉ JAKOMINI

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Kulturpflanzenstreifzug mit Michael Flechl

Am Samstag, den 22. April brachen der Grazer Kulturpflanzen-Experte Michael Flechl unter dem Titel „erblühen“ gemeinsam mit über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu einer Erkundungstour an verborgene Plätze von Obstbäumen und Wildkräutern in Jakomini auf. Der Kulturpflanzenstreifzug führte auf einer historischen Achse von der Münzgrabenkirche beginnend quer durch den Bezirk von Ost nach West bis zum Augartenpark. Natürlich gab es bei diesem Streifzug Vieles zu entdecken.

An 10 Stationen der Kulturpflanzentour begeisterte unser Kräuterexperte Michael nicht nur mit seinem scharfen Blick für besondere Pflanzen am Wegesrand sondern auch mit seiner Begeisterung für die unglaubliche Pflanzenvielfalt, die die Stadtnatur an fast jedem Häusereck in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hauptverkehrsstraßen und Supermärkten zu bieten hat.

Gleich am Start bei der Münzgrabenkirche wurden wir über den Götterbaum aufgeklärt, dessen Blätter zwar nach Popcorn riechen, aber nicht essbar sind und dieser ursprünglich aus China stammende Laubbaum viele Wurzelaustriebe erzeugen und eine imposante Größe erreichen kann.

In unmittelbarer Nähe des Spar-Marktes in der Moserhofgasse zeigt er uns einen kleinen öffentlich zugänglichen Obstgarten samt Streuobstwiese mit lauter essbaren alten Steinobstarten. Hier ist vom Kirsch- über den Birnen-, Apfel oder Nussbaum alles anzutreffen. Diese Steinobstbäume haben, so klärte uns Michael auf, zur Überraschung aller eine Gemeinsamkeit: Sie gehören zu den Rosengewächsen und seien daran zu erkennen, dass diese immer fünf Blütenblätter haben.Natürlich sollte man hier zu dieser kleinen Obstoase im Sommer wiederkommen und einer Obstverkostung frisch vom Baum steht dann nichts mehr im Wege.

Viele Stadtbewohner schauen heute vor lauter Terminhetze oder Smartphone-What‘sappen gar nicht mehr links und rechts oder nach oben und unten. So wird vieles von der Umwelt nicht mehr gesehen schon gar nicht im Detail wahrgenommen. Und so entgeht Vielen, von welch wunderbarer Pflanzenwelt man auch im urbanen Bereich noch umgeben ist. Gerade als Botaniker und natürlich auch als entschleunigter Stadtflaneur schaue man jedoch zuerst nach unten, klärt uns Michael auf, dann nach oben und weiter nach links und rechts. Und sogleich entdeckt man auch einen blühenden Dolden-Milchstern. Im öffentlichen Raum ist dieser Frühjahrsgeophyt eine wahre Besonderheit.

Gerade die Jakominivorstadt und der Münzgraben waren im 19. Jahrhundert bekannt für ihre Gärten. So hatte zwischen der Münzgrabenstraße und der Kastellfeldgasse der Handelsgärtner Michael Geberger eine berühmte Gartenanlage. Als bürgerlicher Lustgärtner und k.k. priv. Kräuter- und Samenverleger züchtete dieser alle Arten von Zierpflanzen, Obstbäume und Gemüse und soll auch als erster die Artischocke in Graz eingeführt haben.

Anhand des Franzisceischen Katasters aus dem Jahre 1840 kann man ein wenig nachempfinden, wie dieser Kulturpflanzenstreifzug früher durch großflächige Wiesen-, Acker- und Gartenflächen geführt hätte. Obwohl man die für den Jakomini einst berühmten Gartenanlagen heute nicht mehr bewundern kann, so gibt es im Innenhof des heutigen ATG-Sportzentrums noch immer eine Vielfalt an bunten Pflanzen zu bewundern. Die mächtige Sportanlage wird auch heute noch eingerahmt von liebevoll gepflegten Gartenanlagen dieser typischen gründerbauzeitlichen Stadtentwicklung gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Nach fast drei Stunden fand dieser frühlingshafte Streifzug sein Ende am ehemaligen Kreuzungspunkt des einstmals offen durch die Wielandgasse fließenden Grazbaches und des Mühlganges, der durch die Froschaugasse (die heutige Friedrichgasse) führte. Am Ende der Wielandgasse sind noch heute Reststücke prächtiger Vorgärten der Gründerbauzeithäuser zu bewundern. An diesem Punkt treffen heute die Wielandgasse und die Pestalozzistraße aufeinander unmittelbar vor dem geschichtsträchtigen Gebäude des Taubstummeninstituts.

Hier stand einst das Schlösschen des Gerichtsadvokaten Dr. Johann Nepomuk Neuhold, das man im Stiegenaufgang dieses geschichtsträchtigen Gebäudes noch heute bewundern kann. Dessen einstiger Besitzer hat sich als Mitglied der steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaft intensiv mit der Düngerbereitung, mit praktischen Versuchen in der Bienenzucht, der Zuckererzeugung aus Mais und anderen agrarischen Innovationen beschäftigte. Die heutige Besitzerin pflegt hier so wie schon einst einen wunderbaren mit vielfältigen Pflanzen und Bäumen ausgestatteten großflächigen Vorgarten.

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