CAFÉ JAKOMINI

Orte – Menschen – Geschichten

Auf Spurensuche: Verborgene Plätze in Jakomini

Bei strahlendem Sonnenschein trafen sich mehr als 30 Teilnehmer am Samstag, den 31. August 2019 beim schon traditionellen Streifzug des Café Jakomini durch den Bezirk Jakomini beim Sportpark Graz in der Hüttenbrennergasse. Gemeinsam mit Michael Flechl und Klaus Strobl ging es diesmal auf die Suche nach verborgenen Plätze und Kleinodien im Schönauviertel – die Industriebrache Draisgasse, das Tupayschlössl, den Ökopark und dem Heimgarten Fröhlichgasse. Es ist immer wieder erstaunlich, was man abseits der urbanen Hauptverkehrsachsen alles an baukulturellen und naturbelassenen Kleinodien entdecken kann.

Am Startpunkt unseres Streifzugs beim Sportpark Graz, wo heute die modernsten Ballsporthalle Österreichs steht, klärte uns Klaus Strobl darüber auf, dass hier in der Hüttenbrennergasse nach dem ersten Weltkrieg die Schönausiedlung entstand. Die Wohnungsnot unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg ließ die Stadtgemeinde ab 1919 hier 83 Wohngebäude mit insgesamt 298 Wohneinheiten errichten.

Die Wohntypen dieser kleinen Barackenstadt bestand aus Wohnküchen und Ein- oder Zweizimmerwohnungen, waren schwemmkanalisiert und besaßen eine eigene Wasserleitung. In jedem der Häuser befand sich im Keller ein Gemeinschaftsbad für alle Hausbewohner, was heute ein Zeichen extremer Unterausstattung wäre, damals aber ein Qualitätskriterium darstellte. (Vgl. Dienes & Kubinzky 1991: 29)

STREIFZUG "VERBORGENE PLÄTZE IN JAKOMINI": SCHÖNAUVIERTEL

Punkt 15.15 Uhr starteten wir dann nach Süden entlang der Schönaugasse in Richtung Tupaypark. Nach den ersten Tipps von unserem Pflanzenexperten Michael Flechl zur Flora im Tupaypark gelangten wir über den geheimen Zugang der Jugendlichen aus dem Schönauviertel zur ersten Station unseres Streifzugs: Der Industriebrache Draisgasse.

Um die Jahrhundertwende vom 19. auf das 20 Jahrhundert war hier das Fabriksgelände der Fahrradwerke  Cless & Plessnig. Cless & Plessnig, war auf kettenlose Fahrräder spezialisiert und wurden als Noricum-Räder bezeichnet. Diese schützten Herren- und ganz besonders Damenkleidung mit langen Röcken und vermieden vordergründig alle möglichen Pannen mit sich lösenden Ketten. Heute befindet sich auf einem Teil des Fabriksgeländes der ehemaligen Noricum-Werke die Kumera Antriebstechnik in der Raiffeisenstraße. Das seit Jahren brachliegende Industriegelände in der Draisgasse ist nicht nur ein wunderschönes Beispiel, wie sich nicht nur die Natur ihr Reich zurückerobert, sondern auch Zeugnis dafür, wie sich die Jugendlichen aus der Umgebung auf ihre Art ihre geheimen urbanen Rückszugsgebiete in Besitz nehmen.

Auf dem Weg zurück machten wir einen kurzen Halt beim Tupayschlössl und bewunderten die noch in ihrer ursprünglichen Form erhaltenen Kellergewölbe dieses einmaligen Baukulturerbes. 1849 erwarb der Grazer Advokat Dr. Franz Steger den sogenannten Möstlhof in der Schönau, um dort eine herrschaftliche Villa zu erbauen. 1879 ging die Liegenschaft an den Großindustriellen Eduard Keil, dem damaligen Vizepräsidenten der Brüder Reininghaus AG. Durch die Heirat seiner Tochter Martha mit dem Rittmeister Rudolf Tupay gelangten die sogenannten „Keil-Gründe“ in dessen Besitz und von daher auch der heutige Name „Tupay-Schlössl abstammte. Dieses blieb bis 1974 im Familienbesitz und wurde nach dem Kauf durch die Stadt Graz vollständig renoviert und beherbergt heute 12 „herrschaftliche“ Gemeindewohnungen. (Vgl. Dienes & Kubinzky 1991: 8, 108)

Weiter ging es Richtung Fekonjapark in der Pomisgasse, wo sich der einzige naturbelassene Ökopark der Stadt Graz als bunte Vielfalt im unmittelbaren Siedlungsumfeld befindet. Auf dem ehemelaigen Besitz der Baumeisterfamilie Fekonja konnte sich hier seit 1985 ungestört eine kleine Oase bilden. Diese grüne Lunge inmitten eines dicht besiedelten Stadtgebietes soll nicht nur zur Verbesserung von Luft und Kleinklima beitragen, sondern auch als Erholungsraum für die Menschen dienen. Alte Laub- und Nadelbaumbestände, verwilderte Obstbäume, Gebüsch- und Brombeerdickicht, sowie feuchte, vermooste Stellen im Schatten und trockenes, steiniges Gelände bieten hier auch unterschiedlichste Lebensräume für zahlreiche Tierarten.

Die letzten Station unserer Forschungsexpedition führte uns zur Heimgartenanlage des HGV Heimgartenverein Fröhlich, in unmittelbarer Nähe des Styria-Media-Zentrale, lediglich getrennt von der hier vorbeiführenden Ostbahn. Es ist schon erstaunlich, dass in unmittelbarer Nähe der hoch frequentierten Autotransitverkehrsachse Conrad-von-Hötzendorf-Straße eine kleine aber umso feinere städtische Naturoase sich beharrlich der städtischen Verdichtung entgegenstemmt.

Ab 18.00 Uhr ließen wir bei einem gemeinsamen Essen im Café Phönix – es gab leckere Backhendl und eine köstliche Gemüselasagne – den Abend ausklingen. Noch viel wurde über die wunderbaren gemeinsamen Erlebnisse und Entdeckungen des heutigen Nachmittags geredet. Es lohnt sich immer, seinen urbanen Zeitmodus zu reduzieren und die Aufmerksamkeit ein wenig auf diese Rückzugsorte zu richten, die sich oft nicht weit weg von den städtischen Transitachsen befinden.

Gemütlicher Ausklang unserer Spurensuche im Café Phönix

Quellen: Gerhard M. Dienes/Karl A. Kubinzky: Jakomini. Geschichte und Alltag, Kulturreferat der Landeshauptstadt Graz/Stadtmuseum, 1991

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